Bismillah

In Namen Allahs, des Erbarmers, des Barmherzigen

Granada

Hauptstadt des Islam in Europa

Der nachfolgende Artikel ist ein Beitrag der in Granada (Spanien) lebenden Schwester Moumima Sow

*(aus der DML Rundbrief)

"Granada - Haupstadt des Islam in Europa" war das Thema einer Islamischen Konferenz im Dezember 1998 in Granada und in der Tat scheint es so, als ob sich der Islam hier in ganz besonderer Weise wieder etablieren würde. Aus der Geschichte wissen wir, daß nach 750 jahren Islamischer Glanzzeit im Süden Europas während der Kreuzzüge unter der Herrschaft der spanischen Könige Ferdinand und Isabella die letzte islamische Festung in Granada nach zweijähriger Belagerung unterworfen wurde. Aber es war keine bedingungslose Kapitulation, sondern das Resultat monatelanger Verhandlungen, die 1492 in einem Vertrag endeten.

Damit begann die Herrschaft des Katholizismus in einer seiner dunkelsten Epochen. Bis in die jüngere Geschichte gab es danach nur sehr wenig Muslime in Andalusien. Erst nach der Zeit Francos kamen die ersten marokkanischen Gastarbeiter nach Spanien und nach und nach bekannten sich auch wieder Spanier zum Islam. In den 80er Jahren kamen dann die ersten spanischen Muslime nach Granada, später gefolgt von Nordeuropäeren und Amerikanern, mit dem festen Willen, von hier aus auf dem Erbe ihrer Vorfahren den Islam neu zu etablieren. Es war für die meisten eine Art Hidschra, denn sie verließen ihre Arbeitsplätze und Wohnorte, manchmal sogar ihre Familien, nicht um nach Geld oder weltlichen Dingen zu streben, sondern um hier dem Islam eine Gestalt zu geben und als Vorbild für andere Gesellschaften zu leben.

Ihr erstes Ziel, das sie auch erreichten, war der Kauf eines Grundstücks für eine Moschee in bester Lage, in gleicher Höhe mit der Al-Hambra, auf der Spitze des Albaicin, dem ehemaligen Araberviertel. Hier sollte eine richtige neue Moschee entstehen! Die Idee war revolutionär! Doch bis es zum ersten Spatenstich kam, vergingen 16 lange Jahre. Mit allen nur möglichen Mitteln versuchten Nicht-Muslime in Granada dieses Vorhaben zu vereiteln. Aber die Muslime wollten Ihre Religion und ihre Gemeinschaft wieder wach-sen lassen, um zu einer respektablen Größe zu gelangen. Sie wollten sich stolz als das präsentieren, was sie sind: Die Nachfahren von Al-Andalus, was die katholische Geschichte 500 Jahre zu leugnen versuchte. Sie möchten das alte arabische Stadtviertel mit einer großen Moschee, Schule, Qur'anschule, Kranken-haus, Geschäften und anderen islamischen Einrichtungen nicht nach westlichem, sondern nach islamischen Vorbildern wieder beleben. Die Vorstellungen dieser Gemeinschaft basieren auf der Rechtsschule des Imam Malik, dessen Lehre in Spanien (und Nordafrika) Tradition ist. Viele der großen Rechtsgelehrten der malikitischen Schule stammten aus Andalusien.

Nach der Rechtsschule des Imam Malik bestimmt jede Gruppe von Muslimen ihren Amir (Führer/Befehls-haber). Dieser ist für die Belange der Ummah verantwortlich, setzt den Imam ein, regelt die islamischen Angelegenheiten wie Ramadanbeginn und -ende, Freitagsgebet, Rechtsprechung, Zakat und andere religiöse Angelegenheiten. Die Mitglieder der Gemeinschaft geben gegenüber dem Amir eine Treuege-löbnis ab, denn nur so kann die islamische Gemeinschaft Selbstvertrauen entwickeln, zusammenhalten und wachsen. Der Amir wird nicht direkt, sondern von einer Gruppe Verantwortlicher, die durch Wissen und Erfahrung qualifiziert sind, gewählt. Nicht der Einflußreichste, sondern der Beste, d.h. der Fähigste im Sinne des Islam, soll Amir sein.

In Granada gibt es diese Strukturen mit Amir, Imam, Qadi, einer sich endlich im Bau befindlichen Moschee und einem islamischen Zentrum mit angeschlossener Qur'anschule. In dieser Qur'anschule lernen einige Schüler täglich bis zu 8 Stunden ausschließlich Qur'an, unter ihnen auch einige junge Erwachsene aus Deutschland und Übersee. Inzwischen wächst hier in Granada schon die zweite Generation heran. Es gibt Teestuben, Halalmetzger, Halalrestaurants, eine private islamische Schule mit Arabisch als Zweit-sprache, mit Mathematik, Sprache, Poesie, Englisch, Geschichte, Sport, Kunst, Biologie usw. auf islamischen Grundlagen. Es fehlt noch ein medizinisches Zentrum. Zwar gibt es Einzelpersonen, die im medizinischen Bereich tätig sind, jedoch müssen diese sich zur Zeit noch organisieren. Für mich, die ich als deutsche Muslima schon einige islamische Länder besucht habe, kann ich sagen, daß ich nirgendwo so sehr wie hier in Granada vom der Überlegenheit der islamischen Gemeinschaftsstruktur überzeugt wurde. Denn bedauerlicherweise findet man auch in islamischen Ländern immer seltener Menschen, die sich ganz auf ihre Religion verlassen und sie als Maß aller Dinge betrachten.

Eine Besonderheit für den Islam in Spanien ist, daß sich jetzt, nach vielen Jahren der Verleugnung, doch wieder viele Menschen mit Stolz an ihre islamische Geschichte erinnern. Unter der Schirmherrschaft des Königs gibt es außerdem einige Projekte, die die Bedeutung des Islam für Spanien hervorheben. Auch hat der Islam als Religion in Spanien einen rechtlich völlig anderen Status in der Verfassung als zum Beispiel in Deutschland.

Eine besondere Brisanz jedoch erhält das Thema durch die Verträge von 1492, die unter anderem vom damaligen Papst, vielen Bischöfen, den Königen und anderen Würdenträgern unterzeichnet wurden. Diese Verträge garantierten den Muslimen viele Rechte, was die Religion und die Autonomie der Ummah betraf.

Unter anderem wurde volle Freiheit der Religionsausübung, eigene Gerichte, eigene Gesetze, islamische Schulen, Unantastbarkeit der Moscheen, das Recht auf Eigentum, den Azan, einen Imam und das Recht auf eigene Sprache - damals war arabisch die Umgangssprache in Andalusien - garantiert. Die Muslime erhielten schriftlich alle Rechte, als Muslime unter christlicher Herrschaft zu leben. Sie gingen davon aus, genau so respektiert zu werden, wie sie zur Zeit ihrer Herrschaft auch Juden und Christen respektiert hatten. Doch innerhalb kürzester Zeit wurden Verträge und Garantien seitens der katholischen Könige gebrochen und der erste Holocaust fand in Andalusien an der jüdischen und muslimischen Bevölkerung statt. Das Besondere aber an diesen Verträgen ist, daß sie zwar nicht erfüllt und auch sofort gebrochen aber nie für ungültig erklärt oder abgeändert wurden. Die Verträge von 1492 stammen im übrigen aus der gleichen Zeit, in der Spanien seine Herrschaftsrechte in Ceuta und Melilla auf afrikanischen Boden vertraglich regelte und an deren Gültigkeit die Spanier bis heute keine Zweifel hegen.

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Studienreise nach Al-Andalus:

Wer durch diesen Artikel Interesse bekommen hat, sich allein oder mit Familie Granada und Andalusien mit seinen bedeutsamen Sehenswürdigkeiten in Sevilla und Cordoba anzusehen, kann gerne mit Schwester Moumina Sow in Kontakt treten: Sie organisiert preiswerte Unterkünfte, Rundfahrten, Führungen und andere Programmpunkte. Ihre Anschrift lautet: Moumina Sow - Almona del Boqueronu 2° izq, 18001 Granada - Spanien, Tel/Fax. 0034-958-208948

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